Helen (Georgia)

Helen (Georgia)

20. Oktober

Im Jahr 2000 war ich in München beim Oktoberfest; erst wollte ich dort nicht hin, mir sind Massenaufläufe immer etwas suspekt; eine halbe Stunde nach unserer Ankunft jedoch stand ich mit einer Maß Bier auf dem Tisch und sang besselt Lieder, die ich hier nicht erwähnen werde.
Am nächsten Morgen beschloss ich, nie wieder auf ein Oktoberfest zu gehen; ich war mir selbst unheimlich.
Gestern habe ich mit meinem Vorsatz gebrochen.
Helen ist ein kleiner Ort im Norden Georgias, und er ist so etwas wie eine bajuwarische Festung im großen weiten Amerika. Es gibt einen deutschen Bäcker, er heißt „Hofer’s Bakery & Café“; um dort einen Tisch zu bekommen, stehen die Menschen wie früher im Osten eine Stunde in der Warteschlange; man kann in Helen Kühne Senfgurken und deutsches Backpulver kaufen; es gibt ein Hofbräuhaus, es gibt die „Hansel & Gretel Candy Kitchen“ –  und: es gibt das Oktoberfest. Die Frauen tragen dort Dirndl, die Männer tragen zu Hüten geformte Bürgerkrüge auf dem Kopf; sie essen Fleischkäse für 5 Dollar, sie trinken Weizenbier, statt zicke-zicke-zicke-zacke-ho-hoi-hoi allerdings rufen sie ticke-tacke-tacke; sie wissen es nicht besser.
Ich war für den Abend eingeladen, kurz dachte ich an mein altes Versprechen, aber ich hatte einen geschlagenen Tag Weinverkostung hinter mir; außerdem fühlte ich mich irgendwie verpflichtet.
An unserem Tisch saß ein junger Mann aus Florida, er lächelte, als ich ihm erzählte, dass ich aus Deutschland komme. Er fragte mich, ob unsere Oktoberfeste auch so seien, ich nickte, er schaute glücklich.
Ich habe keine Erklärung dafür, aber jedem, dem ich an diesem Abend erzählte, dass ich Deutsche sei, strahlte mich an als sei ich sein persönlicher Gastgeber. Man klopfte mir auf die Schulter, man nahm mich in den Arm, man wollte mir ein Bier ausgeben. Meine Laune wurde immer besser.
Jetzt – Stunden später – liege ich im Bett – und begreife mich selbst nicht mehr.
Ich bin tausende Kilometer geflogen, um amerikanische Kultur kennenzulernen; ich habe deswegen drei Monate Urlaub genommen, ich wollte Cowboys sehen und in einem Dodge über den Highway ziehen. Stattdessen sitze ich auf einem deutschen Oktoberfest, ich höre Rex Gildo, ich trinke deutsches Bier.
Manchmal habe ich das Gefühl, mich im Kreis zu bewegen.
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In Feierstimmung: Marion und Christina. Sie hat in Helen ihr eigenes Tourismus-Büro.

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German Potatosalat und Wurst.

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Seltsames Ritual: The Chicken-Dance.

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Vom Original kaum zu unterscheiden.

Und jetzt: Werbung!

Für Helen.

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Vor 20 Jahren war Helen ein Ort im Dornröschenschlaf; kaum eine Schlagzeile wert, gelegen im White County am Chattahoochee River. Es war kein schlechter Platz, aber es war kein Platz zum Geldverdienen.
Dann entstand die Idee, eine bayerische Alpenstadt nachzubauen – und seitdem ist nichts mehr wie früher.
Zu Tausenden zieht es die Menschen nach Helen, sie kommen aus der ganzen Welt, um das zu erleben, was man hier unter deutscher Kultur versteht. Oktoberfest. Bratwurst. Sauerkraut. Und Blasmusik. Es ist eine Welt für sich, eine Parallelwelt; irgendwie herausgenommen aus der Zeit. Jenseits des Trubels jedoch gibt es noch mehr zu entdecken.
Den Wein der Region etwa; seit einigen Jahren immer populärer.
Und wer nicht gerade im September, Oktober und November nach Helen reist, wird möglicherweise einen Ort finden,
der neben allem Klamauk noch mehr zu bieten hat. Die Landschaft. Die Einsamkeit. Die Wasserfälle.

Wer mehr über die Region wissen will:

Infos unter:
www.vipalpinetours.com

Wein:
Unter anderem das Weingut von Joe und Tina Smith
Infos unter:
www.serentycellars.com

Weintouren bietet Christina Ernst an.
Infos unter:
www.vipalpinetours.com

Wo essen?
Etwa:
„Mully’s Macoochee Grill“ – versprochen: keine deutsche Küche.