Carrabelle (Florida)

Carrabelle (Florida)

05. Oktober

Auf dem Weg von Georgia nach Florida stand ich an einer rotblinkenden Ampel; ich wartete. Die Zeit verging. Ich wollte nichts falsch machen. Ich war allein.

Wenn der deutsche Regisseur Roland Emmerich amerikanischere Filme als jeder Amerikaner drehen kann, dann bin ich auf dem besten Weg, der penibelste Autofahrer der Staaten zu werden. Bei der Geschwindigkeit orientiere ich mich am Vordermann, weil ich nicht weiß, welche Regel gerade gilt.  Fährt  niemand vor mir,  gucke ich die ganze Zeit in den Rückspiegel, um zu schauen, was der Hintermann macht. Häufig hat das zur Folge, das wir gemeinsam immer langsamer  werden; was soll ich machen.

Gerade hat mir jemand erzählt, dass man hier nicht mal eine angebrochene Flasche Bier im Auto mit sich zu führen darf. In Saratoga (Kalifornien) ist es verboten, in einem Badeanzug in der Öffentlichkeit zu singen.  In manchen Staaten gibt es noch die Todesstrafe, ich will nichts riskieren.

An der blinkenden Ampel wurde es nicht grün. Ich saß in meinem kleinen Wagen, den niemand bei der Autovermietung hatte haben wollen, weil er zu klein und spießig ist, die  Sonne ging langsam unter, mir fiel die Deutsche ein, die  22 Jahre unschuldig wegen Mordes in der Todeszelle saß, weil  ein Polizist  gelogen hatte. Es gibt viele solche Fälle, ich lese es immer wieder.  In 22 Jahren wäre ich fast 70. Ich habe nicht mal Kinder, die sich  um mich kümmern können.

In Lübeck bin ich kürzlich mit dem Fahrrad bei Rot über die Ampel gefahren, ich wollte lässig sein; 100 Euro und 1 Punkt hat mich das gekostet. Vor den Polizisten hätte ich fast geweint.

Irgendwann kreuzte dann doch noch ein Auto die blinkende Ampel, es kam mir entgegen, der Fahrer guckte mich einen Moment an. Ich tat, als wäre ich intensiv mit meiner Karte beschäftigt, obwohl er das GPS sehen konnte. Ich kam mir kleinlich und sehr deutsch vor.

Man muss wissen, wenn man verloren hat.