Joseph und Imnaha (Oregon)
20. Dezember
Kurzfristige Änderung der Reisepläne wegen eines angekündigten Schnee- und Eissturms in der Region um Portland. Die Menschen sagen: Das hatten wir noch nie.
Tage zuvor Wintereinbruch in einer Region in Utah, die für ihre ganzjährige Golf-Saison bekannt ist. Die Menschen sagen: Das hatten wir zuletzt vor 40 Jahren.
Wochen zuvor Kälteeinbruch in einer Region in Nevada; es waren weit unter 20 Grad Minus. Die Menschen sagen: An so etwas können wir uns nicht erinnern.
Ich bin mir nicht sicher, welche Rolle ich in diesem Plan spiele.
Zaubertrick?
Fahre ich im Urlaub in eine Gegend mit garantiertem Sommer, ändert sich mit meiner Ankunft die Großwetterlage; es gießt aus allen Kübeln und hört bis zu meiner Abfahrt nicht mehr auf. Freunde lästern, Hilfswerke sollten mich in dürregeplagte Regionen schicken; mit einem Schlag wäre das Problem behoben.
Ich wollte Oregon bereisen, es ist meine vorletzte Woche in den Staaten; stattdessen sitze ich wie festgenagelt in einem fernen Bed & Breakfast, es ist dunkel, draußen heult der Sturm, und ich wette, in Lübeck scheint die Sonne.
Das ist wie ein Fünfer im Lotto, bloß umgekehrt.
Und jetzt: Werbung!
Für Joseph!
Man denkt, am Ende der Straße geht es nicht weiter – dann das: Joseph, eine kleine Stadt mit ein paar hundert Einwohnern; am Fuße der Wallowa Mountains gelegen. Chief Joseph ist hier beerdigt; der Mann, der als berühmter Kriegs-Taktiker in die Geschichte einging; er war der Führer der Nez-Perce-Indianer, die hier aus dem Tal vertrieben wurden. Bis heute ist der Nahkampf, wie ihn Chief Joseph seinen Leuten beibrachte, Teil der Ausbildung in der amerikanischen Armee.
Siehe auch: http://karl-may-wiki.de/index.php/Chief_Joseph
Überraschend außerdem: Ausgerechnet in diesem Ort ist die Pferde-Bronze-Statur „The day the wall came down“ entstanden, die die Amerikaner der Bundesrepublik anlässlich des Mauerfalls schenkten; sie steht am Alliierten-Museum in Berlin.
http://www.verylgoodnight.com/wall.htm
Ein paar Kilometer von Joseph entfernt liegt Imnaha, ein Ort mit 18 Einwohnern – und dem skurrilsten Restaurant meiner Reise.
Sallie ist die Besitzerin des „Imnaha Store and Taverne“. Bis vor ein paar Jahren hatte sie gemeinsam mit ihrem Mann Dave ein Mal jährlich im September zum großen Klapperschlangen – und Bärenessen geladen. Am Ende aber war die Aktion so erfolgreich; Hunderte stürmten den Ort, dass die beiden das Projekt wieder aufgaben. Heute kann man im Store zwar „nur“ gegrillte Froschschenkel bestellen – Sallie sagt, sie wären das Lieblingsgericht der Kinder – aber noch immer hängt jedes Jahr eine große Liste aus über die Zahl der getöteten Klapperschlangen. Früher hatten Sallie und Dave die Tiere in einer Kühltruhe gesammelt und dann zum großen Fest als Mahlzeit gereicht, heute liegen nur noch so viele Schlangen auf Eis, wie Sallie für ihren Schmuck braucht. Als ich ihr erzählte, dass es in Deutschland nicht üblich sei, Schlangen und Bären zu töten und zu essen, guckte sie auf – und fragte mit sichtlichem Erstaunen: „Why?“
Sallie – und die Klapperschlange.
Sie sagt, dieses Jahr war ein gutes Schlangen-Jahr.
Nicht für Eric, der wurde gleich zwei Mal gebissen, dabei hätte er es besser wissen müssen. Eric lebt in Imnaha – und an einem wohl etwas unausgeschlafenem Abend versuchte er, seine Haustür zu schließen. Immer wieder. Aber irgendetwas klemmte dazwischen. Statt Licht zu machen, beugte er sich zur Tür – es folgte: Ein fünftägiger Aufenthalt im Krankenhaus sowie die Erkenntnis: Guck hin, wenn du etwas tust. Bei dem Türstopper handelte es sich um ein ausgewachsenes Exemplar.
Nur tote Schlangen sind gute Schlangen. . .
. . . und im Idealfall enden sie als Ohrring.
Den Fröschen ergeht es nicht besser.
Froschschenkel, eine der Delikatessen im „Imnaha Store and Taverne“ (9,50 Dollar). Nach meinem Geschmack: zu fischig.
Sallie (li.) und Bonnie; sie ist die Frau vom Postamt in Imnaha. Bonnie sagt, es waren stressige Tage zuletzt im Office. „Stressig?“ „Ja, wegen der Weihnachtstage. Gestern kamen 25 Leute.“
Das Post Office in Imnaha – fünf Tage die Woche geöffnet, für wen auch immer.
Gut das der Schnee- und Eissturm dich nicht irgendwo unterwegs erwischt hat , lieber unter Leuten festsitzen als irgendwo alleine.
Oh ne du hast nicht wirklich Froschschenkel gegessen oder?
Liebe Grüße aus dem Havelland
Reine Recherche.